Vor 100 Jahren wurde in Berlin die UFA gegründet, ein Filmimperium, dessen bewegte Vergangenheit ein Spiegelbild unserer Geschichte ist. Ein Blick auf Menschen, Mythen und Momente.
1917 ist kein Jahr, das im historischen Gedächtnis verpufft. John F. Kennedy wird in Massachusetts geboren, Mata Hari in Frankreich hingerichtet und der Gabelstapler erfunden. Die Weltarchitektur wankt. Die Oktoberrevolution tobt. Der Zar stürzt. Im kriegsmüden wilhelminischen Deutschland glaubt kaum noch jemand an den Sieg. Und doch schreibt Generalstabschef Erich Ludendorff am 7. Juli 1917: „Für einen glücklichen Abschluss des Krieges ist es unbedingt erforderlich, dass der Film überall da, wo die deutsche Einwirkung noch möglich ist, mit dem höchsten Nachdruck wirkt.“ Der Brief gilt als Gründungsdokument der Universum Film AG, kurz: UFA.
Ludendorff gewinnt Vertreter aus Finanzen und Wirtschaft und vereint die Wichtigsten der Branche unter einem Dach. Im Dezember 1917 startet die UFA, doch sie entwickelt eine Eigendynamik. Statt Quelle der Propaganda wird sie ein Ort der Träume. Flirrend und fantastisch. Mit dem Ende des Kaiserreichs öffnete sich das Unternehmen der Moderne, zieht Intellektuelle an, produziert mit historischen Ausstattungsfilmen wie „Madame Dubarry“ (1919) und expressionistischen Dramen wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920) Kunst und Kassenschlager zugleich. Regisseure wie Ernst Lubitsch, Paul Wegener, Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau und Stars wie Pola Negri, Emil Jannings oder Asta Nielsen schreiben Filmgeschichte. Es gibt immer mehr Kinos, so den 1919 eingeweihten UFA-Palast am Zoo in Berlin und den UFA-Palast in Hamburg, im Eröffnungsjahr 1929 das größte Kino Europas.
Außerdem entsteht mit dem Produktionszentrum in Neubabelsberg Anfang der Zwanzigerjahre eine Filmstadt. Jeder Film eine Revolution: „Der letzte Mann“ mit einer neuen Art der „entfesselten“ Kameraführung. „Die Nibelungen“ mit einer nie da gewesenen Architektur und Lichtgebung. „Melodie des Herzens“, in dem Willy Fritsch den ersten Satz des deutschen Tonfilms sagt: „Ich spare nämlich auf ein Pferd.“ Nicht zu vergessen „Metropolis“, den ersten Science-Fiction in Spielfilmlänge, dessen Produktionskosten die UFA fast ruinierten.
Doch die UFA war auch immer ein Spiegel der Geschichte. So kommt es, dass sie 1933 zur Propagandamaschine der Nationalsozialisten wird. Gleich im März werden alle jüdischen Mitarbeiter entlassen. Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, fördert Filme wie „Hitlerjunge Quex“, lässt Regisseurin Leni Riefenstahl Produktionen wie „Triumph des Willens“ drehen und stolpert fast über seine Affäre mit der tschechischen UFA-Schauspielerin Lída Baarová. Und das Publikum? Verlangt nach unpolitischer Unterhaltung wie „Glückskinder“ (1936) mit Lilian Harvey und Willy Fritsch. Gegen Kriegsende trifft auch die NS-Propaganda mit Verlust und Aufopferung den Puls der Massen. So wie 1942 „Die Große Liebe“ mit Zarah Leander und Paul Hörbiger und den UFA-Schlagern „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. Für den Film stehen 4000 von der zusammenbrechenden Front abgezogene Soldaten als Statisten vor der Kamera.
1942 verschmelzen UFA, Tobis, Terra, Bavaria und Wien-Film zu einem Konzern, der UFA-Film GmbH. 1943 feiert die UFA mit ihrem dritten Farbfilm, „Münchhausen“, und dem auf einer Kanonenkugel reitenden Hans Albers in der Hauptrolle ihr 25-jähriges Jubiläum. Vier Wochen nachdem die Wehrmacht die Schlacht von Stalingrad verloren hat, wird das Prestigeobjekt uraufgeführt. Was die Presse nicht schreiben darf: Der Mann, der als Drehbuchautor Berthold Bürger heißt, ist in Wirklichkeit der mit Berufsverbot belegte Erich Kästner. Er hatte von Goebbels eine Sondergenehmigung bekommen.
Das Kriegsende 1945 bedeutet den Zusammenbruch der UFA. Die Rote Armee besetzt das Gelände. Und während ein Jahr später in der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Film Aktiengesellschaft, kurz DEFA, gegründet wird, dauerte der Neustart im Westen bis 1956, dem Jahr der Privatisierung von Bavaria und UFA. 1958 erscheint mit „Ist Mama nicht fabelhaft?“ der erste Spielfilm. Doch inzwischen hält das Fernsehen in den Wohnzimmern Einzug. Unterhaltungsfilme laufen nun dort, im Kino interessieren die Zuschauer eher ausländische Produktionen. Der Versuch, mit dem teuren Ausstattungs- und Abenteuerfilm „Das Totenschiff“ (1959, mit Horst Buchholz und Mario Adorf) mitzuhalten, scheitert. Ab 1962 läuft ein Konkursverfahren. 1964 er-wirbt Bertelsmann die Universum Film AG und alle Anteile an der UFA Theater AG. Um den Ausverkauf der Rechte der alten UFA zu verhindern, wird die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung gegründet, die die Rechte an den UFA- und Bavaria-Filmen verwaltet. 1972 kauft die Riech-Gruppe die UFA Theater AG. Mit dem Start des Privatfernsehens in den Achtzigern gründen Bertelsmann und Gruner + Jahr für ihre Beteiligungen an Hörfunk- und Fernsehsendern und die Vermarktung von Film- und Sportrechten die UFA Film und Fernseh GmbH.
Der Fall der Berliner Mauer 1989 verändert Europa. Auch die TV-Landschaft wird eine andere. Das Privatfernsehen gewinnt an Bedeutung. UFA steht von nun an auch für erfolgreiche Serien-, Show- und Reality-Formate. Und endlich auch wieder für große Filme wie „Der Sandmann“ (1995) mit Götz George, „Stauffenberg“ (2004) mit Sebastian Koch und Ulrich Tukur oder „Die Flucht“ (2007) mit Maria Furtwängler.
Heute gliedert sich das Unternehmen in drei Produktionseinheiten: UFA Fiction, UFA Serial Drama und UFA Show & Factual. Dazu kommt das UFA Lab als Zukunftslabor für digitale Medien und Plattform für die digitale Entertainmentbranche. Denn wie immer in ihrer Geschichte muss die UFA auch heute wieder auf Veränderungen reagieren. Zum Beispiel auf die Folgen der Digitalisierung: Während der Fernsehkonsum der älteren Generation stabil bleibt, nimmt die nicht lineare Mediennutzung junger Zuschauer zu – via YouTube, Mediatheken und Streamingdienste. So wird „Deutschland 86“, die Fortsetzung der auch international preis gekrönten Serie „Deutschland 83“, an einem bestimmten Stichtag im kommenden Jahr zeitgleich in 25 Ländern und über Amazon zu empfangen sein.
Seit 2015 ist Produzent Nico Hofmann neben Wolf Bauer Co-CEO der UFA GmbH, deren Führung er im September 2017 allein übernimmt. Die Programme der UFA laufen auf elf Sendern, füllen jährlich 2400 Programmstunden. Zu den jüngsten Produktionen zählen „Nackt unter Wölfen“, „Charité“ und „Ku’damm 56“. Historische Stoffe, große Namen. In diesem Reigen würde sich auch „Die Geschichte der UFA“ gut machen.